Interview mit Lori Heuring: Exklusive Langfassung!

Bad Cop Nando schreibt weiterhin fleissig Booklets. Unter Anderem auch für den Film HUNGER aus der Störkanal-Reihe:

Dieser ist seit dem 25.02.2011 im Handel erhältlich und beinhaltet ein Interview mit Darstellerin Lori Heuring.

Dieses Interview dürfen wir Euch nun als exklusive Langfassung präsentieren und wünschen viel Spass bei der Lektüre! 🙂

Was ist für dich der interessanteste Aspekt an der Schauspielerei?
Für mich ist es der ganze Prozess. Jemand anders zu sein und Erfahrungen zu machen, die ich so im normalen Leben wohl nie machen würde, macht für mich den Reiz an der Schauspielerei aus. Wenn ich mir HUNGER ansehe, dann bin ich sogar sehr froh, dass ich solch eine Erfahrung im normalen Leben nie machen werde (lacht). Aber als Schauspielerin die Chance zu erhalten, solch eine extreme Erfahrung spielen zu können, das hat für mich in gewisser Weise auch eine befreiende Wirkung. Schauspielerei bedeute, in mit dem Peter Pan-Syndrom infiziert zu sein. Man bleibt auf eine Art für ewig Jung und kann dabei immer wieder in die Haut einer anderen Person schlüpfen. Es gelten keine Regeln und alles scheint möglich zu sein.

Bleiben wir beim Thema Erfahrungen. Was war es für eine Erfahrung, unter der Regie von David Lynch im Film MULHOLLAND DRIVE zu spielen?
Es war eine unglaubliche Erfahrung. David ist ein ganz besonderer Mensch. Er ist in seiner Art ein extremes Individuum. Wenn er sich auf eine Sache konzentriert, dann ist er punktgenau wie ein Laser. Er besitzt eine gleichermaßen intensive wie auch witzige Persönlichkeit. Wenn man sich seine Filme ansieht, dann würde man nie erwarten, wie humorvoll er in Wirklichkeit ist. Auch ist er sehr aufmerksam, vor allem, was die kleinen Details anbelangt. An meinem zweiten Tag am Set, da trank ich einen Kaffee. David sah es und fragte den Mann beim Catering, was für eine Kaffeemarke ich da trinken würde? Am dritten Tag brachte er mir einen Kaffee der gleichen Marke, wie ich ihn am Vortag getrunken hatte. Ich empfand das als sehr bizarr, dass David Lynch tatsächlich recherchiert hat, was für eine Kaffeemarke ich trank (lacht). Als Mensch ist David absolut fantastisch. Als Künstler ist er jedoch noch viel mehr als das. Das Set von MULHOLLAND DRIVE war sehr groß, dennoch hatte er alles und jeden unter Kontrolle. Er hatte ein altes Megafon, mit welchem er Kommandos erteilte, und war andauernd in Bewegung, um dafür zu sorgen, dass alles nach Plan lief. Wenn einer der Darsteller nicht mehr weiterwusste, dann setzte er sich mit ihm hin und erklärte ihm alles, bis keine Fragen mehr offen waren. Er hat eine ganz spezielle Art zu denken, die ich sehr an ihm bewundere. MULHOLLAND DRIVE war ursprünglich als TV-Serie geplant. Er hatte daher für jede Figur ein genaues Konzept ausgearbeitet, welches genau bestimmte, wie sie sich im Laufe der Serie entwickeln sollte.

MULHOLLAND DRIVE ist bekannt dafür, dass man die Handlung nur schwer oder auch gar nicht verstehen kann. Hast du die Handlung des Filmes verstanden?
Ja, habe ich. David hat sie mir ja erklärt (lacht).

Du kannst aber schon verstehen, dass es viele Leute gibt, die sich fragen, um was es in MULHOLLAND DRIVE überhaupt geht?
Auf alle Fälle, der Film ist tatsächlich nur schwer zu verstehen (lacht). In gewisser Weise ist MULHOLLAND DRIVE von Alice im Wunderland inspiriert. In der Geschichte kommt man durch ein Hasenloch in eine andere, eine verzauberte Welt, wo alles möglich zu sein scheint. In MULHOLLAND DRIVE ist Los Angeles diese andere Welt. Die Stadt, die für viele was Magisches hat, weil dort all die Filme entstehen und alle irgendwie wichtig zu sein scheinen. Doch Los Angeles ist kein verzauberter Ort, sondern geprägt von Habgier und Neid. Genau das möchte David mit MULHOLLAND DRIVE verdeutlichen. Der Film arbeitet mit zwei alternativen Realitäten, was jedoch von vielen Leuten nicht verstanden wurde. Wenn man sich den Film mit diesem Wissen ansieht, dann sollte man ihn, zumindest laut David, auch verstehen. Somit wäre das Geheimnis von MULHOLLAND DRIVE geklärt (lacht).

Was ist für dich als Schauspielerin reizvoller, eine Rolle in einem einfach zu verstehenden Film zu spielen, oder eine Rolle in einem Film, der die Zuschauer verwirrt und sich ihnen nur schwer erschließt?
Für mich persönlich ist es interessanter, in einem komplexen Film zu spielen. Wenn man auf jede Geste und jeden Dialog, aber auch auf das noch so kleinste Detail achten muss, dann empfinde ich das als Schauspielerin als eine wirklich interessante Rolle. Ich genieße es, wenn ich mich selbst in eine Rolle einbringen kann und nicht nur das tun muss, was der Regisseur sagt, oder was im Drehbuch steht. Wenn sich eine meiner Rollen entwickelt und eigene Formen annimmt, dann bin ich als Schauspielerin damit auch gefordert. Natürlich habe ich auch einige Rollen gespielt, die sehr einfach gestrickt waren. Ich denke sogar, diese Rollen gefallen z.B. meiner Mutter besser, da sie dabei keine Mühe hat die Figur und die Geschichte zu verstehen (lacht). Simple Rollen sind OK, aber ich bevorzuge die eher anspruchsvollen Rollen.

2003 hast du eine kleine Rolle in DIE WUTPROBE gespielt. Warst du nervös bei dem Gedanken, am Set Jack Nicholson zu begegnen?
Natürlich. Ich meine, er ist Jack Nicholson. Wer wäre da nicht nervös? (lacht) Das Lustige aber war, dass er genau so war, wie ich es erwartet habe. Man hat eine gewisse Vorstellung, wie Jack Nicholson als Person ist. Und tatsächlich hat er alle meine Erwartungen erfüllt (lacht). Er kam ans Set, begrüsste mich mit einem „Hey süsse, wie geht es?“, und ich wusste auf der Stelle, das ist Jack Nicholson, der mich da ansprach. Er ist eine sehr warmherzige und auch sarkastische Person. Mit ihm zu arbeiten war eine Erfahrung, hat er doch über die Jahre hinweg einen Ruf kreiert, der all seine vergangenen Rollen bei Weitem überstrahlt. Er ist eine Ikone!

Lass uns nun über HUNGER sprechen. Als du zum ersten Mal das Drehbuch zu HUNGER gelesen hast, welcher Aspekt der Geschichte hat dir besonders gut gefallen?
Die Angst hat mich angesprochen. Sicher, Angst ist eine erschreckende Art von Emotion, aber auch eine starke Emotion. Die rohe und unbändige emotionale Stimmung innerhalb der Geschichte hat mich von Anfang an fasziniert. Sich in einer Situation wiederzufinden, in welcher man vor Angst fast den Verstand verliert, das zu spielen war für mich eine große Herausforderung. Der Film war für mich auf emotionaler Ebene, aber auch körperlich, wegen der Diät, die wir alle halten mussten, eine sehr intensive Erfahrung.
Auch hat mich angesprochen, dass Jordan, die Figur, die ich im Film spiele, eine sehr starke Person ist. Für mich als Schauspielerin ist es sehr interessant, solche Rollen zu spielen, die über sich hinauswachsen.

Wie du sagst, Jordan ist eine sehr starke Person. Inwiefern siehst du eine Ähnlichkeit zwischen dir und Jordan?
Ich wüsste nicht, ob ich in solch einer Situation, wie sie im Film dargestellt wird, ähnlich wie Jordan reagieren würde. Als Schauspieler ist es jedoch auch normal, ein wenig von sich in eine Rolle einzubringen. Ich bin wie Jordan eine sehr hartnäckige Person. Ich kann nur hoffen dass ich, sollte ich je in solch eine Situation wie im Film geraten, über die Stärke von Jordan verfügen werde.
Jedoch weiß man nie, wie stark man in Wirklichkeit ist, bevor man nicht dazu gezwungen ist, es herauszufinden.

Lass uns über die Diät sprechen, die jeder Schauspieler für HUNGER gemacht hat. Wie bist du mit dieser Situation und vor allem auch, dem damit einhergehenden Hungergefühl umgegangen?
Ich wäre sicher nie so weit gegangen, wie es z.B. Christian Bale in THE MACHINIST getan hat. Er hat glaube ich für diesen Film über 34 kg abgenommen, was meiner Meinung nach sehr extrem und auch ungesund ist. Für uns alle war von Anfang an klar, dass wir für HUNGER nicht so weit gehen würden. Ich bin auch keine Anhängerin des Method Acting, darum zog ich diesbezüglich auch eine ganz klare Grenze. Ich bin stolz darauf, für HUNGER diese Diät bewältigt zu haben, auch wenn ich so etwas nie wieder für einen Film tun möchte. Auch ist es definitiv nicht leicht, hungrig eine Rolle zu spielen. Man hat weniger Energie, ist angespannt und nervös, weil man das Bedürfnis hat, etwas zu essen. Dazu kam noch das ständige Magenknurren, welches uns viele Szenen ruinierte und die Arbeit erschwerte.

Dein Co-Star Linden Ashby hat sich nach dem Ende seiner Dreharbeiten einen Cheeseburger gegönnt. Was stand bei dir auf dem Menüplan, nachdem du HUNGER abgedreht hattest?
Ja, Linden war als Erstes mit seinen Szenen fertig. Er schickte uns danach allen eine E-Mail, in der er erwähnte, dass er im Moment einen großen Cheeseburger und Pommes Frites essen würde. Wir hassten ihn alle dafür (lacht). Interessanterweise schrumpft der Magen, wenn man Hunger hat. Deswegen verspürte ich nach dem Ende der Dreharbeiten auch nicht solch einen großen Hunger, wie man es vielleicht unter solch einer Situation erwarten würde. Wir beendeten die Dreharbeiten kurz vor der Weihnachtszeit und ich ging damals zu meiner Mutter zum Essen, weswegen ich schnell wieder auf mein normales Gewicht kam.

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