Sonderbericht #6

_PB_Logo

absolution header blank

„[…] Das Erstlingswerk von Philip Lilienschwarz,
der es nicht so mit der Kirche hat […]“

–> nightmare-horrormovies.de

Religion. Für viele ist sie der Ursprung allen Übels. Seit Jahrhunderten gehen Kriege, Verfolgungen oder Unterdrückung von Religionen aus. Gottesfürchtigkeit, Strenge und Sitte waren für viele Dekaden ein Erziehungsmaßstab. Dass diese Richtung nicht nur rechtschaffene und moralische Geschöpfe erschuf, kann man an z.B. Ed Gein und Armin Meiwes sehen. Zwei Personen, die der Welt den Atem stocken ließen. Beide strenggläubig und beide lebten mit einem schwerwiegenden Mutterkomplex. Gein und Meiwes sind die Beweise, dass das System, welches sich zu hohen Maßen auf Religion stützt, versagt hat.

„[…] Was macht eigentlich die deutsche Horrorszene? […]“
–> thrillandkill.com

Als Jesajas Mutter stirbt, geriet seine „heile“ Welt aus den Fugen. War es doch die Strenge seiner herrschsüchtigen Mutter, die ihm Gottesfürchtigkeit und Disziplin lehrte. Ihr Tod war die Impulsgebung für Jesajas handeln, Sünder ihre gerechte Strafe zuzuführen. Ob nun Verstöße gegen die zehn Gebote („du sollst nicht ehebrechen“) bis hin zur Homosexualität. Er kennt bei seinen Kampf keinerlei Grenzen, egal ob es sich um enge Bekannte oder gar um Familienmitglieder handelt. Er sieht sich als Hirte über seine Herde und er bestraft die schwarzen Schafe. Jesaja macht auch nicht vor Geistlichen halt, die den falschen Weg eingeschlagen haben.

Alle Sünder sollen sich seiner „Blutbeichte“ stellen und läutern. Die Welt muss vom Schmutz gereinigt werden – Das ist Jesajas einziger Antrieb. Doch als der Auftragskiller Marc seine Schwester, welche er erst kurz vorher ausfindig gemacht hat, durch den psychopathischen Killer verliert, beginnt Marc auf eigene Faust zu ermitteln…

„[…] Der Titel ist Programm! […]“
–> splatgore.de

„Absolutio – Erlösung im Blut“ hebt sich vom deutschen Einheits-Genre-Brei ab. Latente Verbindungen zu Kargls „Angst“ und Buttgereits „Schramm“ schwirren durch die Gedanken, während der Sichtung, aber „Absolutio“ schlägt nur anfangs in diese Kerbe. Mit erreichen des filmischen Klimax entpuppt sich der Film als Horror-Drama.

Der Film macht einfach sehr vieles richtig. Er besitzt ein hohes Niveau und Anspruch was Ästhetik betrifft. Kameraführung, Bild und Ton sind beispielhaft für Filme aus diesem Budgetbereich und auch die Effekte sind sehr ansehnlich und detailliert gestaltet. Besonders hervorzuheben ist die schauspielerische Leistung von Stefan Vancura (als Jesaja) und Najely Chumana (als Margit). Beide verkörperten ihre Charaktere mit großem Ehrgeiz und spürbarer Freude. Besonders Vancura trieb sich zu Hochleistungen an, welche sogar körperliche Veränderungen mit sich brachten. Aus Stefan Vancura wurde Jesaja. Der Inquisitor bittet zur Beichte und diese Beichte wird besiegelt mit Blut.

Tatkräftige Unterstützung erhielt Lilienschwarz von Martin Faltermeier (Regisseur von “Zombies from outer Space” / D, 2012) als Kameramann. Frank Schröter steuerte die Spezialeffekte bei, welcher vorher bereits für Olaf Ittenbach an mehreren Filmen arbeitete (u.a. “Savage Love” / D, 2012 und “No Reason” / D, 2010). Herman van Ulzen, welcher die Rolle des Pfarrer Brandl spielte, war vorher bereits in Bully Herbigs „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ (D, 2004) zu sehen.

„Absolutio“ ist getrost als filmisches Kleinod im deutschen Genrefilm zu bezeichnen. Ein Film, der dem Gorehound zeigt, dass es nicht immer nur Wald- und Wiesen Splatter und Blutbäder im Übermaß sein müssen, um einen soliden, blutigen und spannenden Horrorfilm zu inszenieren. Ein Film, der sich nicht am Kunstblutmassaker-Maßstab messen lassen muss, sondern vielmehr eine Geschichte erzählt, die zu fesseln und zu unterhalten weiß.

Philip Lilienschwarz ist kein Regisseur für die Gorehounds und Gekröse-Liebhaber im Splattersektor. Er ist ein Geschichtenerzähler, der es gekonnt schafft, seine Geschichten auch gelungen in Szene zu setzen.

EGO TE ABSOLVO

Absolutio-2

—————————————————————

Im Rahmen meines Artikels wollte ich natürlich auch mit dem Regisseur, Philip Lilienschwarz, sprechen und ihm einige Fragen zu seinem Film stellen. Bereits Ende Februar nahm ich über das Internet mit ihm Kontakt auf, also kurz nach Veröffentlichung des Films und meiner ersten Sichtung. Lilienschwarz war bereits zu Beginn unsere E-Mail Korrespondenz ein sehr netter Zeitgenosse. Dennoch musste ich von Februar bis Anfang Mai auf ein gewünschtes Interview warten. Rückblickend kann ich sagen, dass das Warten sich auf jeden Fall gelohnt hat. Aus einem kurz angedachten Interview wurde ein zwei Stunden Plausch über Gott und die Welt. Über Kunst und Kommerz – über den deutschen Filmmarkt und Sammelgewohnheiten, über Prag und Wien und über Lilienschwarz und „Absolutio“. Ich präsentiere hier einen Auszug aus diesem schönen Gespräch.

***

Der verdeckte Ermittler: Hallo Philip, danke das du dir Zeit genommen hast. Erzähl doch unseren Lesern kurz, wie du auf die Idee zu „Absolutio“ gekommen bist.

Philip Lilienschwarz: Die Idee zu „Absolutio“ hatte Maximillian Huber (Maximum-Uncut-Productions), welcher ja den Film produziert hat. Wir lernten uns auf dem Indigo Film Fest kennen. Irgendwann erzählte er mir von einer Idee über Beichte, Folter und Erlösung… Das ist nun aber schon 4-5 Jahre her. Wir haben dann häufiger telefoniert und verschiedene Sachen durchgesprochen. Ich begann dann das Drehbuch zu schreiben. Patrick Manzecchi (der Mafiaboss) steuerte zu den Dialogen bei. Max Huber sagte dann irgendwann: „Jetzt gehen wir es an!“…(lacht) Das ist jetzt echt schon die Kurzfassung!

Der verdeckte Ermittler: Ich habe vorher noch nie etwas über „Absolutio“ gehört! Du sagtest, dass die Entwicklung über mehrere Jahre gedauert hat?

Philip Lilienschwarz: Ja. Wir haben bewusst erst dann Informationen zum Film gestreut, als der Dreh schon begonnen hatte. Aber es hat sich wirklich einige Jahre hinausgezögert. Ich glaube 2011-2012 haben wir erste Details im Internet gepostet. Damals hieß der Film noch „Blutbeichte“. Leider mussten wir den Titel verwerfen, da es einen Buchtitel namens „Blutbeichte“ gibt und das Buch blöderweise auch eine leicht ähnliche Thematik hat.

Der verdeckte Ermittler: Ich empfand „Absolutio“ als durchdachten und guten Film. Bereits die Einführung des Charakters Jesaja fand ich für einen deutschen Amateurfilm sehr beachtlich. Er hält sich nicht lange an irgendwelchen Sachen auf. Der starke und düstere Start und der Twist gegen Ende, der etwas trashig wirkt mit dem doch eher schnell von statten gehenden Showdown. Alles in allem aber ein runder und sehenswerter Film und kein gewöhnlicher „Einheitsbrei“.

Philip Lilienschwarz: Einige Sachen sind aus der Spontanität heraus entstanden, die wunderbar passten.
Die Szenen mit Peter Eherer (Jesajas Nachbar) zum Beispiel. Er war anfangs nur Besucher, aber ich hatte die Idee, ihn als den Nachbar einzubauen. So improvisierten wir dann seine Dialogszene am Zaun. Für die Nachdrehs habe ich seine Rolle dann noch erweitert. Peter hat eine super Arbeit abgeliefert.
Wenn ich daran denke, dass ich für die Folterszenen verschiedene Story Boards entwickelte und letztlich doch viel improvisierte… (lacht) Irgendwas ging immer nicht so, wie ich es geplant hatte. Ob nun der Winkel und so weiter. Man kann halt nicht immer alles planen. Das ist mir bei der Arbeit von „Absolutio“ bewusst geworden. Außerdem stellte ich fest, dass bei zu akribischer Planung ein Stück der Dynamik und der Atmosphäre auf der Strecke bleiben.
In der Phase der Vorproduktion hab ich mir auch bewusst Zeit gelassen. Zum Beispiel bei der Suche nach den Locations. Die Kirche am Anfang des Films… Ich hätte auch die erstbeste nehmen können, aber das Suchen der Location hat sich auch dabei sehr gelohnt. Die Kirche war ein gut besuchter Ausflugsort. Ständig waren dort Menschen, die sich die bunten Fenster und so ansahen … Wir hatten keine Dreh-Genehmigung, aber wir dachten uns, bei den ganzen Touristen, die auch alle Fotos machten oder sogar Videos drehten, da würden wir gar nicht so auffallen. Also drehten wir die Einstellungen in der Kirche, die dann als Anfang des Films dienten.

Der verdeckte Ermittler: Welche Stilmittel anderer Filme haben dich beim Dreh beeinflusst? Wovon hast du dich leiten lassen?

Philip Lilienschwarz: Ich weiß nicht, ob ich das so direkt beantworten kann. Man saugt ja immer Sachen auf, Sachen die einen beeindruckt haben und daraus schöpft man dann. Aber es sind keine einzelne Filme. Eher ein „großes Ganzes“ von vielen Filmen aus vielen Genres. Was ich allerdings schon sagen kann, ist das Roman Polanskis „Ekel“ („Repulsion“) einen enormen Einfluss auf mich hatten. Aber auch William Lustigs „Maniac“ von 1981 hatte ich im Hinterkopf. Letzterer hat ja mit „Absolutio“ nicht zuletzt die Gemeinsamkeit, dass man in die Psyche eines Serienmörders eintaucht. Diese Filme haben schon eine Art Grundlage geliefert. Argentos Filme mag ich natürlich auch sehr. Seine Art der Inszenierung, Bilder wie Gemälde… „Suspiria“, „Phenomena“ und „Tenebre“. Diese Filme strotzen vor Ästhetik! Leider wird der Blick für Schönheit und Kunst im Film nicht mehr der Stellenwert zugeschrieben, wie einst – obwohl ich da eigentlich sehr tolerant bin und niemanden verteufeln möchte, da mir ja auch der eine oder andere neue Blockbuster Spaß macht.

Der verdeckte Ermittler: Bei unserem ersten Mailkontakt erwähntest du, dass die Kritiken zu deinem Film ziemlich durchwachsen gewesen sind. Wie kann ich das verstehen? Ich habe bisher nur gute Kritiken zu „Absolutio“ gelesen.

Philip Lilienschwarz: Ja. Das ist richtig. Der Großteil der Kritiken war wirklich gut. Es ging mir eher um einige Gruppen, die mit Independet-Filmen in der Regel wenig anfangen können… Dort gehen die Meinungen schon sehr weit auseinander, da dieses Klientel etwas anderes gewohnt ist. Ein großer Punkt ist dabei immer das Budget. Wenn man sich nur Hollywood B-Movies ansieht und dann einen deutschen C-Movie … da kann es dann auch schon sein, dass einer weniger positiv über diesen Film schreibt. Wenn sie allerdings wüssten, unter welchen Bedingungen dieser Film entstanden ist, würden sie wahrscheinlich auch anders darüber denken.
Ich mag ja auch große Non-Horror-Produktionen. Aber viele davon sind nicht nachhaltig genug. Es macht Spaß, sie zu sehen, aber man vergisst sie danach auch wieder sehr rasch. Kunst muss meiner Meinung nach etwas unbequem sein und das Publikum etwas fordern.

Absolutio-1

Der verdeckte Ermittler: Wie hoch war denn das Budget?

Philip Lilienschwarz: Uh, so genau kann ich das gar nicht sagen, weil ich es selbst nicht 100%ig weiß, aber wir reden hier nur von ein paar wenigen tausend Euro.

Der verdeckte Ermittler: Das merkt man den Film aber nicht an. Gerade weil er sich Zeit nimmt für Details wie Kamera und Charakterzeichnung und so weiter … weil er einfach anders ist. Besonders die Leistungen deiner Schauspieler haben mich sehr begeistert. Wie hast du die Leute gecastet?

Philip Lilienschwarz: Witziger Weise wirklich über das Internet. Die Hauptrolle (Stefan Vancura als Jesaja) hab ich allerdings durch jemanden kennengelernt. Wir haben uns dann mal getroffen und unterhalten. Stefan hatte sich für „Absolutio“ echt ins Zeug gelegt. Du solltest ihn mal im realen Leben sehen. Er hat sich die Haare abrasiert und die Brille trägt er normalerweise auch nicht. Das war schon eine ziemliche Metamorphose seinerseits. Stefan nahm den Charakter von Jesaja auf. Das hat mich sehr beeindruckt, denn Jesaja ist nicht jemand, dem du begegnest, wenn du Stefan triffst.

Der verdeckte Ermittler: Wenn ich an Jesaja denke, dann kommen mir unweigerlich Verbindungen zu Armin Meiwes (Der Kannibale aus Rotenburg) und Ed Gein (Das Monster aus Plainfield) in den Sinn. Hat Jesaja, der sich ja den Mutterkomplex mit Meiwes und Gein teilt, einen Bezug zu ihnen?

Philip Lilienschwarz: Ja, teilweise gibt es da bewusste Parallelen. Allerdings ist auch „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ ein gewisser Einfluss auf Jesaja gewesen.

Der verdeckte Ermittler: Mir ist Najely Chumana auch sehr positiv aufgefallen. Sie ist eine bildhübsche Frau und sehr attraktiv. In „Absolutio“ ist sie aber seelisch so hässlich und niederträchtig. Eine richtig widerliche Person. Sie wirkte in jeder Sekunde wie eine durchtriebene und unangenehme Person. Sie hat eine absolut großartige Leistung abgeliefert.

Philip Lilienschwarz: (lacht) … ja das Kompliment gebe ich gern weiter an sie. Das wird sie freuen. Aber du hast völlig recht. Sie hat wirklich eine beachtenswerte Leistung gebracht.

Der verdeckte Ermittler: Auf welchen Festivals lief „Absolutio“ eigentlich und sind da noch mehr in Planung?

Philip Lilienschwarz: Er lief zum Beispiel auf dem Indigo-Film-Festival, bei dem Karlsruher Independent Days Filmfest, wo er an einem Abend auch der Hauptfilm war, was mich sehr gefreut hat. Die Premiere war in München. Demnächst läuft er in Wien. Für mich wird das ein persönliches Highlight, da es sich um ein sehr altes und klassisches Kino handelt. In Bremen sollte er auch mal laufen, aber das ist leider im Sande verlaufen.

Der verdeckte Ermittler: Gibt es schon zukünftige Projekte?

Philip Lilienschwarz: Ich habe für einen anderen Regisseur ein Drehbuch geschrieben, das dieses Jahr wohl noch verfilmt wird. Für wen, kann ich aber noch nicht verraten. Aber so viel: er wird entweder geliebt oder gehasst… (lacht) Das Drehbuchschreiben macht mir aber viel Spaß, ich würde das gern wieder tun.
Als Regisseur ist es grad so, dass ich kein fixes Team um mich herum habe. Und natürlich muss auch einer kommen und mir Geld geben für einen Film… (lacht)

Der verdeckte Ermittler: Wäre denn Crowdfunding eine Option für dich?

Philip Lilienschwarz: Ich entwickle meine Ideen zumeist aus Tagträumen oder am Schreibtisch. Ich bin nicht so jemand, der sich hinstellt und den Leuten bei diesen Plattformen dazu animiert, in mein Projekt zu investieren.

Der verdeckte Ermittler: Ich danke dir vielmals für das angenehme Gespräch.

Absolutio_Packshot_Discs

This entry was posted in Ermittlungen, Sonderberichte. Bookmark the permalink.

Wie sieht Dein Urteil aus?