Sonderbericht #2

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WITCHFINDER GENERAL war Michael Reeves’ letzte Regiearbeit vor seinem tragischen und viel zu frühen Tod. Sein letzter großer Film galt als Startschuss für eine kurze aber erfolgversprechende Ära der Hexenjäger Filme. Reeves wurde am 17. Oktober 1943 in Sutton, England geboren. Bereits in seiner Kindheit war er von Filmen besessen. So erinnert sich sein enger Freund und ein Produzent von WITCHFINDER GENERAL, Phillip Waddilove später:

“…Michael was obviously driven by film from early age, probably 10, and knew he was going to make movies…”
(Waddilove in Fangoria 2011)

Als Schlüsselerlebnis zu seiner Obsession und späteren Berufung soll ein Kinobesuch mit seiner Mutter bei dem Historienfilm IVANHOE (1952 R. Richard Thorpe) gewesen sein. Reeves’ stetig anwachsende Begeisterung zum Kino erwachte bei Robert Taylors Leistung als Titelgebender Actionheld. Bereits in seiner frühen Jugend drehte er mit Ian Ogilvy Kurzfilme und in dieser Zeit ist eine enge und loyale Freundschaft der beiden gewachsen, die bis zu Reeves’ Tod und darüber hinaus anhalten sollte. Ogilvy spielte in Reeves’ frühen Kurzfilmen die Hauptrollen (CARRION, 1958 und INTRUSION, 1961), sowie auch in seinen späteren Regiearbeiten.

1963 setzte sich Reeves in ein Flugzeug nach Amerika, um sich seinen Regieidol, Don Siegel (RIOT IN CELLBLOCK 11, 1954; PRIVATE HELL 36, 1954; INVASION OF THE BODY SNATCHERS, 1956) vorzustellen. Für Reeves waren die Filme Siegels absolute Meisterwerke und so kam es, dass der junge Brite, gerade 20 Jahre jung, in Don Siegels Team Fuß fassen konnte. Er sammelte Erfahrungen als Dialog Regisseur für Test Dreharbeiten für Siegel. Dies brachte ihm einen Job als “Mädchen für alles” [1] in Jack Cardiffs THE LONG SHIPS (RAUBZUG DER WIKINGER, 1963). Reeves blieb in den Credits allerdings unerwähnt.

Unerwähnt blieb auch seine Mitarbeit am Drehbuch und als Second Unit Regisseur des britisch/italienischen Horrorfilms IL CASTELLO DEI MORTI VIVI (CASTLE OF THE LIVING DEAD, 1964) von Warren Kiefer, welcher ein Starensemble auffahren konnte. Christopher Lee als diabolischer Count Drago und einen blutjungen Donald Sutherland in einer seiner ersten großen Rollen (Sutherland spielt drei Charaktere: Sergant Paul, die Hexe und “der alten Mann”). Eine Theorie über das unerwähnt bleiben von Reeves an IL CASTELLO DEI MORTI VIVI ist, dass Kiefer aus steuerlichen Gründen italienische Regisseure nannte (wahrscheinlich den Produktionsländern geschuldet). So wanderten die Regisseure Luciano Ricci und Lorenzo Sabatini (welcher ein Pseudonym für Kiefer war [2]) in die Credits.

1965 drehte er seinen ersten eigenen Film, eine teils jugoslawische, britische und italienische Produktion, namens LA SORELLA DI SATANI (REVENGE OF THE BLOOD BEAST aka. SHE-BEAST, 1965). Die Hauptrolle übernahm die Horrorlegende Barbara Steele und Reeves’ alter Schulfreund und Stammschauspieler Ian Ogilvy. Über die Umstände der Dreharbeiten ist bekannt, dass Steele nur für einen Drehtag gebucht wurde, da Reeves einen Großteil seines eigenen Geldes für die Finanzierung aufbrachte (Budget £15.000 [3]). Ihr Drehtag muss für sie ein schreckliches Erlebnis gewesen sein, da sie einen anstrengenden 18 Stunden Tag überstehen musste (man bedenke ihre Screentime von knapp 30 Minuten). Trotz aller Makel des Films (Bild und Tonqualität) sind bereits erste Bildkompositionen zum WITCHFINDER GENERAL erkennbar.

“…the vileness of the witch is matched by the horror of what is being done to her: victim and destroyers are reduced to a common bestiality. Or, if you like, Vandella’s viciousness is felt as being reflected in the righteous who surround her, an ineffaceable universale principle. …”
(Wood)

Reeves’ erste reine britische Regiearbeit war THE SORCERERS (IM BANNE DES DR. MONSERAT, 1967). Ein zu seiner Zeit wenig beachteter und unterschätzter Sci-fi/Horrorfilm für die 1966 frisch gegründete Tigon British Film Production. Auch hier konnte Reeves wieder einmal einen Star verpflichten. Universal Monster-Legende Boris Karloff verkörperte Professor Monserat. Auch Ogilvy besetzte einen Part, als Marc Roscoe.

“…This is an unjustly overlooked picture. Dismissed by some as a dated Bit of ‘now’ nonsense. In reality, it’s Reeves employing the go-for-broke techniques of French New Wave to make a movie about morality, and as such truly reps the director’s awakening to allowing his style to match his story and subtext. Low-budget and flawed, this is in some respects a braver film than WITCHFINDER GENERAL. …”
(Chris Alexander in Fangoria #304)

Für die Tigon stellte sich THE SORCERERS als erster großer Erfolg raus. Die Geschäftsführer von Tigon, Tony Tenser und Patrick Curtis waren sehr zufrieden, als Reeves’ Low-Budget Film (£50.000 [3]) für drei Wochen für das noble Carlton Cinema gebucht wurde. Vielerorts wurde THE SORCERERS im damals beliebten Double Feature mit Roger Cormans THE TOWER OF LONDON (DER MASSENMÖRDER VON LONDON,1962) gezeigt. In diesem wiederum brillierte Vincent Price als Richard of Gloucester. Für Tenser und Curtis war der Erfolg des Films maßgebend für ihre eigene Karriere (Tigon entwickelte sich neben Amicus und Hammer zu einem der wichtigsten britischen Filmproduktionen der späten 60er / frühen 70er Jahre). Sie fackelten nicht lange und schlossen mit Michael Reeves einen Vertrag über fünf Filme in fünf Jahren. Die Verleihlizenzen für die USA verkauften sie an AIP (American International Pictures) und ebneten somit den Weg für Reeves’ Opus Maximum: WITCHFINDER GENERAL.

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Reeves’ letzter Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Ronald Bassett, welches 1966 veröffentlicht wurde. Noch vor Veröffentlichung des Buches sicherte sich Tigon Chef Tony Tenser die Filmrechte. Tom Baker, Co-Screenwriter zu WITCHFINDER GENERAL sagte über das Buch:

“…I read the Book. I don’t like it very much, but then I’m not particularly into violence. …”
(Murray 2002)

Reeves Vorstellung für die Rolle des Matthew Hopkins stand bereits während der Drehbuchphase fest. Er und Baker schrieben die Rolle förmlich Donald Pleasence auf dem Leib. Pleasence (den meisten wohl bekannt als Dr. Loomis aus den frühen HALLOWEEN Filmen von John Carpenter) verkörperte für Reeves und Baker den Inbegriff des “machthungrigen kleinen Mannes” (Cooper 2011). AIP hatten aber bereits andere Vorstellungen bezüglich der Darstellerwahl dieser historisch bekannten, aber nicht vollständig geklärten Person. Ihre Wahl bezog sich natürlich auf ihr finanzielles Zugpferd und Corman Stammschauspieler Vincent Price – sehr zum Missfallen von Michael Reeves. Diverse Quellen gaben später an, dass das der ausschlaggebende Grund war, warum Price sich von Reeves viele Sticheleien bieten lassen musste. Reeves nutze seine Antipathie um Price zu einer Leistung zu animieren, die viele Fans und Kritiker dem Darsteller nicht mehr zugetraut hatten.

Vincent Price: “…I’ve made 84 films. How many have you made?”
Michael Reeves: “…Three good ones.”

Vincent Price erblickte 1911 in St. Louis, Missouri das Licht der Welt. Vor seiner Filmkarriere studierte er Geschichte in Yale. Er entwickelte sich in den fünfziger Jahren zur Horrorfilm Ikone mit Filmen wie HOUSE OF WAX (DAS KABINETT DES PROFESSOR BONDI, 1953), THE FLY (DIE FLIEGE, 1958) oder HOUSE OF USHER (DER UNTERGANG DES HAUSES USHER, 1960) und viele weitere große Klassiker des Horrorfilms. Er war bekannt für seine Rollen, die er zumeist mit ironischem Humor verkörperte. Für Reeves war Price eine Fehlbesetzung.

Die Dreharbeiten, welche Mitte September 1967 bis Mitte November stattfanden, verliefen sehr angespannt und chaotisch. Reeves’ Missgunst gegenüber Price überschattete das allgemeine Klima am Set. Die ständigen Streitereien der beiden, die mannigfaltigen Probleme mit den Geldgebern, der AIP und der britischen Zensurbehörde (BBFC) waren für alle am Film beteiligten wohl ein sehr großer Stressfaktor. Bereits zu Beginn der Dreharbeiten verletzte sich Price, als er vom Pferd stürzte und für ein paar Tage ausfiel.

Reeves ließ Price wissen, dass er nicht seine erste Wahl war. Dies tat er mit voller Absicht, denn er wollte, wenn er schon nicht seine Wahl des Schauspielers durchsetzen konnte, dass zumindest das für ihn “notwendige Übel” eine besondere Leistung abliefert. Eine Leistung, welche die filmische Leistung von Price endgültig unsterblich machen sollte. Die Ablehnung Reeves’ seit beginn der Dreharbeiten war aber nicht nur ein Ansporn für großartige Leistungen, es hätte auch schnell ins Gegenteil umschlagen können. Die Produzenten hätten eher einen neuen Regisseur angeheuert und den “Regieneuling” entlassen, als Price gehen zu lassen. Immerhin erwies er sich in dieser Phase seines Schaffens als Kassenmagnet für AIP. Nicht zuletzt durch die diversen Edgar Allen Poe Verfilmungen (wie z.B. TOMB OF LIGEIA, 1964). Auch hier entschloss AIP, gegen den Willen des Regisseurs, den Film in den USA “Gewinnversprechender” zu vermarkten.

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WITCHFINDER GENERAL wurde in Amerika zu THE CONQUERER WORM (aka. EDGAR ALLEN POE’S THE CONQUERER WORM). Der Film wurde für den amerikanischen Markt noch durch AIP editiert. Sie fügten das Poe Gedicht zum Conquerer Worm als Einstieg in den Film ein. Aber nicht nur AIP hatten bestimmte Vorstellungen von Reeves’ Film. Auch der britische Censor, in diesem Falle vertreten durch den Vorsitzenden der BBFC (British Board of Film Censors) John Trevelyan (ein entfernter Verwandter Michael von Reeves [4]) hatte seine Vorstellungen, wie der Film veröffentlicht werden sollte. Trevelyan war, im Vergleich zu anderen Censoren dieser Zeit von Filmen besessen. Er mochte Filme und wollte mit seiner Arbeit die Entwicklung des Films vorantreiben und er bewunderte Michael Reeves’ Talent, Filme zu inszenieren. Er war der führende Minister der BBFC von 1958 bis 1971. Bei einem von Phillip Waddilove arrangierten Treffen zwischen Reeves, Trevelyan und ihm kam es zunächst wieder zu Streitigkeiten. Reeves wollte keine der zehn Cuts, die Trevelyan forderte, an seinem Film vornehmen.

“…Michael really went berserk. I thought he was going to hit John!…”
(Waddilove)

“…He just said, under the climate of the time, he absolutely had to cut it down: ‘Of course, Ian has to kill Vincent with an ax, but he doesn’t have to hit him fifteen times; three will do. Then why don’t you just hold on the two guys watching from the door.’ Some people say Trevelyan’s cuts improve the movie, because it’s left to your imagination. …”
(Ian Ogilvy)

Das war für Reeves wahrscheinlich schon abzusehen. Bekam er doch während der Drehbuchphase mit Tom Baker schon Probleme mit der Vorzensur, beinhaltete der frühe Entwurf des Drehbuches noch einige pikante Gewalthandlungen mehr; wie z.B. Köpfungen, Augen aushöhlen und Pfählungen. Die BBFC reagierte schriftlich wie folgt:

“…we have read your script and are greatly disturbed by it. it could fairly be described as a study in sadism in which every detail of suffering and cruelty is lovingly dwelt on. …”

Diesen Ansatz der filmischen Ausbeutung und stupider Gewaltverherrlichung ließ Reeves nicht auf sich sitzen und antworte der BBFC und stellte seine Sicht der vorgeworfenen übertriebenen Gewaltdarstellung klar:

“…lies in its whole content; and the fact that in the final 90 seconds the violence explodes utterly in the face of the ‘symphatetic’ protagonists (by their own participation in it) is the core of all that is good (morally good) in the film. …”

In den letzten Zügen der Dreharbeiten gab es noch einmal einschneidende Eingriffe, was das Budget (£ 83.000 [3]) betraf. Tony Tenser veranlasste, ohne Reeves’ Wissen, Nachdrehs mit mehr nackter Haut und freizügigen Bardamen, welche in ihrer vollen Pracht um die Gunst und das Trinkgeld von John Stearne buhlen. Zumal das geplante Ende nach diesen unschönen “Einsparmassnahme” nicht mehr realisierbar war. Reeves’ eigentliches Ende war wie folgt geplant:
Stearne vergewaltigt eine junge Zigeunerin und wird prompt von Ihresgleichen geblendet und gepfählt. Hopkins wurde der “Prozess gemacht”. Er wurde der Wasserprobe unterzogen und anschließend gehängt. Die Kürzungen im Budget zwangen Reeves zu einem komplett improvisierten Ende.

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Als der Film im May 1968 veröffentlicht wurde, stellte er sich in Amerika und England als enorm erfolgreich heraus. Die Zuschauer strömten in die Kinos um diesen “brutalen” und “sadistischen” Film zu sehen. Die Kritiker wiederum hassten ihn. Doch für Tigon und AIP zählte nicht die Meinung ihrer zynischen Kritiker. Reeves gingen die Verrisse allerdings sehr nahe. Sein Film wurde falsch verstanden und diente der breiten Masse nur als sensations-voyeuristischem Nischenfilm. Selbst Regie Kollege Michael Powell (der selbst einige Jahre viel negative Kritik für PEEPING TOM bekam) äußerte sich in der Daily Express sehr negativ bezüglich der dargestellten Gewalt:

“…should be ashamed of himself. the acting is good. the photography is fine. but what is the result? sadism, sex and the exploitation of human degradation. …”

Der Film war erfolgreich und das war Grund genug für Tigons Tony Tenser und AIP’s Samuel Z. Arkoff um Michael Reeves ein neues Projekt vorzuschlagen. THE OBLONG BOX (IM TODESGRIFF DER ROTEN MASKE, 1969) sollte die nächste filmische Zusammenarbeit zwischen Tigon und AIP werden, die Reeves verfilmen sollte. Inhaltlich wiedermal angelegt an eine Edgar Allen Poe Geschichte, sollte dieser Film mit den gleichen “Zutaten” inszeniert werden wie WITCHFINDER GENERAL (auch wieder mit Price in der Hauptrolle).

Zu dieser Zeit verschlechterte sich Michael Reeves Gesundheitszustand zunehmend. Seine schweren Depressionen (nicht zuletzt wegen den Kritiken zu WITCHFINDER GENERAL) zwangen ihn, noch während der Preproductions-Phase, dieses Projekt wieder zu verlassen. THE OBLONG BOX wurde Gordon Hessler anvertraut, welcher den Film auch letztendlich inszenierte und 1970 ein WITCHFINDER GENERAL-Ripoff namens CRY OF THE BANSHEE (TODESSCHREI DER HEXEN) mit Vincent Price für die Tigon/AIP drehte. Reeves war bei zwei verschiedenen Ärzten in Behandlung, um seine Depression in den Griff zu bekommen. Diese verabreichten ihm unterschiedliche Medikamente.

Reeves starb am 11.Februar 1969 an einer Überdosis Schlaftabletten und Alkohol. Bis heute herrschen Spekulationen, ob es sich dabei um Selbstmord handelte oder um einen tödlichen Unfall.

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DER HEXENJÄGER gilt seit vielen Jahren als einer der bedeutendsten Vertreter zum Thema Hexen im Film. Ferner noch ist er ein weiterer Beitrag bezüglich des Distanzverlustes grafischer Gewalt im Film (die BBFC nannte das Drehbuch “…eine Studie in Sadismus…”). Seine Entstehungsgeschichte ist mindestens genauso spannend wie der Film selbst. Das tragische Ableben Michael Reeves’ im Alter von 25, bedingt durch eine jahrelange Tabletten- und Drogensucht um seine Depressionen zu bekämpfen, sein stetiger “Kampf” gegen sich und seine wahrscheinliche “innere Zerrissenheit”, gegen seine Produktionsleiter, die Zensurbehörde und nicht zuletzt gegen seinen Hauptdarsteller, säen in dieses Meisterwerk den Samen eines eben nicht nur “kleinen Schundfilmes” (auch wenn Tigon/AIP ihn in den USA erfolgreich zu einem eben solchen werden lies), sondern eines geheimnisvollen, aus Sicht des Regisseurs nicht komplett aufzuarbeitenden Filmes um den sich viele Mythen ranken. Was hätte man von Reeves noch erwarten können? Vergleicht man ihn doch mit Sam Peckinpah (STRAW DOGS, THE WILD BUNCH, THE IRON CROSS) oder nennt ihn “James Dean der 60er”. Zweifellos wäre sein Meisterwerk WITCHFINDER GENERAL “nur” der Anfang einer großen Regie-Karriere gewesen. Michael Reeves war ein wahrer Filmnerd und mit großer Wahrscheinlichkeit wäre er ein enger Freund und “Bruder im Geiste” von Quentin Tarantino geworden.

Es lohnt sich in vielerlei Hinsicht, die Reeves’schen Merkmale des Films zu entschlüsseln und diese auf aktuellere Filme anzuwenden. Man erkennt, dass Reeves damals und auch Heute noch für junge Regisseure einen beachtenswerten Einfluss darstellt.

“…first to articulate a youthful viewpoint in british horror, challenging in an aggressive and systematic way the paternalism of the tradition…Reeves’ films remain the most intense and disturbing expressions of this moment of change. …”
(Peter Hutchings)

Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels beschrieben setzte sich in den 60er Jahren eine Enttabuisierung im Kino durch. Auch WITCHFINDER GENERAL trieb den Trend voran, durch nihilistische filmische Handlungen (psychisch wie physisch), sowie düstere und gotische Grundstimmung. Dieser Art der Inszenierung folgten kurz darauf viele weitere Vertreter. Das Klima im Horrorfilm wurde düsterer. Sogar große Studios wie Hammer Films sprangen auf diesen Zug des gotischen Horrors auf. Hammers TWINS OF EVIL (DRACULA’S HEXENJAGD, 1972 R.: John Hough) war merklich der erste Film des britischen Filmstudios, welcher die Zutaten des “WITCHFINDER EFFECTS” erfolgreich aufgriff. Sei es die Gotik in der Inszenierung, die Rollenvergaben (Peter Cushing als zorniger, anfangs Herzlosen Hexenjäger), Zwillingsschwestern (Mary und Madeleine Collinson), welche der Fantasie des Marquis de Sade hätten entspringen können (übrigens die ersten Zwillinge die im Playboy abgelichtet worden sind), oder die dargestellte Gewalt (welche für einen Hammer Film wirklich ungewöhnlich blutig ist) – all das sind Faktoren, welche auf WITCHFINDER GENERAL zurückzuführen sind. Und das war nur der Anfang.

Auch gesellschaftskritische Töne schlägt Reeves mit seinem Film an. Bereits andere junge Regisseure in dieser Zeit setzten ein Statement zum wütenden Vietnamkrieg. George A. Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD (DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN, 1968), Sam Peckinpahs WILD BUNCH (1968) oder auch Robert Aldrichs DIRTY DOZEN (VERWEGENER HAUFEN, 1968) nutzten ihre filmischen Rahmen geschickt um den Krieg wieder ins kollektive Gedächtnis der Zuschauer zu transferieren. Auch Reeves bediente sich einer solchen Allegorie. [5] Zu Beginn des Filmes reiten die Rundhelme um Richard Marshall (Ian Ogilvy) in den Wäldern. Bei einer kurzen Rast wird der Hauptmann des Zuges beinahe Opfer eines im Dickicht versteckten Scharfschützen, doch Richard kann ihn in letzter Sekunde retten. Diese Aktion bescherte dem Cornet Marschall eine Sonderstellung seines Hauptmannes, der ihn im Laufe des Films mit Cromwell bekannt macht und ihm sogar die kurzzeitige Fahnenflucht verzeiht.

Aus vielen verschiedenen, bereits angesprochenen Details lässt sich klar sagen, dass es sich bei der ursprünglichen Fassung des Filmes nach der Vision von Michael Reeves nicht um einen Exploitation Film handelt, sondern vielmehr um einen Historienfilm. Aufgrund des saloppen Umgangs mit Gewaltausübungen, des Erniedrigens Schwächerer oder des Triebverhaltens von Hopkins und Stearne liegt die Verbindung zum “gemeinen” Exploiters zwar nahe, ist aber unter Rücksichtnahme der verschiedenen Details gegenstandslos.

Die weltweite Vermarktung (die Titeländerung in den USA und dessen Soundtrack), sowie die Zensur des Filmes und die daraus resultierenden Fassungen machen ihn auch jetzt noch, in Zeiten von Hi-Definition, interessant für eine “Wiederentdeckung”.

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Anmerkung des Autors:
Bei diesem Text handelt es sich um eine gekürzte Fassung.
Der Vollständige Text ist Teil eines Buches mit dem Schwerpunkt Hexenjäger Filme,
an welchem ich im Moment Arbeite.

[1] “…Reeves used this experience to get bits of work, including acting as ‚gofer‘ on the Richard Widmark viking movie, THE LONG SHIPS (1963). …” Ian Cooper / Witchfinder General (auteur 2011)
[2] Warren Kiefer IMDb-Profile
[3] The She Beast @ Wiki ; The Sorcerers @ Wiki ; Witchfinder General @ Wiki
[4] Der genaue Grad der Verwandschaft ist nicht komplett geklärt. Lt. Cooper’s Buch WITCHFINDER GENERAL (siehe [1] ist Travelyan ein entfernter Onkel Reeves / lt. Steve Biodrowski von cinefantastique online sind es entfernte Cousin’s – WITCHFINDER GENERAL Retrospektive @ Cinefantastique Online
[5] lt. Cooper / WITCHFINDER GENERAL

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